September 26, 2014

DIE KUNST MOMENTE ZU FOTOGRAFIEREN

Die Geschichte von Mode und Fotografie ist eine lange. Sie schockierte, liebte und revolutionierte. Sie brachte eine Reihe großer Fotografen hervor: Man Ray, Edward Steichen, George Hoyningen-Huene, Horst P. Horst, Richard Avedon, Irving Penn, Martin Muncácsi, Helmut Newton – die Liste scheint unendlich. Doch seit ihrem Beginn begleitet sie eine Frage: Ist Modefotografie Kunst? Oder anders formuliert: Modefotografie – Kunst oder Krempel?! Im Jahr 2014 scheint es darauf eine Antwort zu geben. Denn die zahlreichen Bildbände (z.B. „New Fashion Photography“) Ausstellungen (aktuell „Visual Leaders 2014“ im Hamburger Haus der Photographie) und Essays beweisen dass die Modefotografie in der Kunst angekommen ist.
Auch die Hommage an den französischen Fotografen Jeanloup Sieff, die in dem Band „Sieff Fashion“ auf 40 Jahre Modefotografie zurückblickt, scheint eben diese als Kunstform zu erheben. Doch was genau macht seine Fotografien so kunstvoll. Was lässt Jeanloup Sieffs Modefotografien zur Kunst werden?




Zunächst sollte man da natürlich den Begriff Kunst klären. Auch wenn sich dabei einige Schwierigkeiten ergeben. Denn die eine, richtige Definition gibt es in dem Sinne nicht. Kunst bezieht sich dabei nämlich nicht nur auf einen Teilbereich, sondern auf Literatur, Musik, darstellende Kunst wie Tanz und Theater, oder eben bildende Kunst wie Malerei und Fotografie. Folgt man der Definition des Brockhaus, so ist Kunst „die Gesamtheit des vom Menschen Hervorgebrachten, das nicht durch eine Funktion eindeutig festgelegt ist oder sich darin erschöpft, zu dessen Voraussetzungen die Verbindung von hervorragendem Können und großem geistigen Vermögen gehören“. Außerdem hängt „die Einschätzung von Kunst von den Maßstäben einer Epoche und von der individuellen Sicht ab.“
Also ist Kunst – objektiv betrachtet – eine ganz subjektive Sache. Denn für eine Mutter ist das Wasserfarben-Bild des Kindes ein großartiges Kunstwerk; für Joseph Beuys die Butter an der Wand.

Eine einfachere Definition stellt schon eher die Modefotografie dar. Denn wie Nancy Hall-Duncan es in ihrer Einleitung zu dem 1979 erschienenem Werk "The History of Fashion Photography“ beschreibt, sind Modefotografien eben solche, die zum Veranschaulichen und Verkaufen von Kleidung und Accessoires gemacht werden. Also Fotografien á la Otto-Katalog, in denen uns freudestrahlende, schlanke Frauen in Strickjacke und Boyfriend-Jeans entgegen lächeln und uns zum Kauf verführen. Betrachtet man jedoch die Fotografien Jeanloup Sieffs scheint diese Definition ganz und gar nicht zu passen. Denn wer denkt an den Kauf von Kleidung wenn Astrid Heeren ihrem Gegenüber tief in die Augen sieht, die Zigarette dabei lasziv zwischen den Lippen hält und das Knistern förmlich aus dem Bild zu springen scheint? Oder bei der mysteriösen Rückenansicht der beiden Frauen im Pelzmantel, bei der man nur darauf wartet dass der Zug vorüber zieht und die beiden sich umdrehen, damit man endlich ihr Gesicht sieht.


Nein, Sieffs Fotografien sind mehr als die banale Abbildung von Kleidungsstücken an lächelnden Frauen. Sieffs Fotografien haben etwas Fesselndes und berührendes zugleich. Was wohl vor allem an der Schwarzweißfotografie und den damit einhergehenden harten Kontrasten liegt. Insbesondere bei den Fotografien der „Dame in Schwarz“ von 1964, die – kneift man die Augen nur ein wenig zu – wie ein Scherenschnitt wirken. Doch was Sieffs „hervorragendes Können und großes geistiges Vermögen“ ausmachen ist vor allem die Fähigkeit mit seinen Fotografien Momente einfangen zu können. Momente die uns zum Schmunzeln bringen, uns träumen lassen oder uns neugierig machen. Momentaufnahmen die uns den rauen Wind Englands um die Nase wehen, das dumpfe Pfeifen des Zuges hören und die warme Sonne Floridas auf der Haut spüren lassen.







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