Es wird viel diskutiert – über „Generation Maybe“,
über Unsicherheit und Entscheidungsangst. Doch Mut zur Entscheidung beweisen
sie immer wieder. Die Backpacker und jungen Menschen, die los ziehen um die
Welt zu entdecken.
Kennst Du das Gefühl? Wenn man Bilder von
traumhaften Sandstränden, tiefen Seen und weiten Landschaften sieht und sich
magisch davon angezogen fühlt. Sich so ein Kribbeln vom Bauch in die
Fingerspitzen zieht. Man sich nach fernen Ländern sehnt.
Diese Sehnsucht nennt sich Fernweh.
Doch anstatt sich zu entscheiden - den Mut zu fassen loszuziehen - überschlagen sich
die Zeitvertreib-Versuchungen in Form von Videos, Fotos und geteilten Artikeln.
Also was tun? Den Stapel an Magazinen, Filmen und Musik die man unbedingt
gelesen, gesehen und gehört haben muss immer größer werden lassen? Sich von der
digitalen Welt verabschieden, leise davon schleichen und nie wieder einen Blick
riskieren?
Stattdessen
häng ich planlos vorm Smartphone,
wart bloß auf den nächsten Freitag.
„Ach, das
mach ich später“
ist die Baseline meines Alltags.
Ich bin so
furchtbar faul
Wie ein Kieselstein am Meeresgrund.
Ich bin so
furchtbar faul,
mein Patronus ist ein Schweinehund.
Mein leben
ist ein Wartezimmer,
niemand ruft mich auf.
Mein Dopamin
– das spar ich immer,
falls ich’s noch mal brauch.
Julia Engelmann beschriebt das in ihrem Poetry-Text
„One Day / Reckoning Text“ und scheint damit genau den Nerv der Zeit zu treffen.
Anders lassen sich die mittlerweile über sieben Millionen Klicks des Videos zu
ihrem Poetry-Slam wohl kaum erklären.
Oder aber die Tatsache, dass junge Menschen etwas so angestaubtes wie eine
Gedichtsammlung kaufen, mit dem sich die Psychologie-Studentin den Traum eines
eigenen Buches – ein halbes Jahr nachdem das Video durch die Decke ging –
erfüllt.
Es ist wohl die Faszination und das
Sich-darin-Wiederfinden einer jungen Frau, die über das Leben spricht. Das
Leben das aus unzähligen Möglichkeiten, unzähligen Geschichten besteht. Das damit
aber auch die Chancen erhöht diese zu vertun, zu verschlafen, zu verpassen. Und
dann bleibt am Ende doch nur die Erinnerung an „Geschichten die wir hätten
erzählen können“. An
ein Leben im Konjunktiv.
Und eines
Tages, Baby, werden wir alt sein,
oh Baby, werden wir alt sein
und an all
die Geschichten denken,
die wir hätten erzählen können.
Damit beschreibt sie ein Gefühl, das „Lebensgefühl
einer ganzen Generation sein könnte“.
Doch von welcher Generation ist denn die Rede? Von der „Generation Praktikum“,
die sich von Arbeitsverhältnis zu Arbeitsverhältnis hangelt? Oder die
„Generation Loose“, die wie die „Generation Yolo“ das Leben liebt?
Oliver Jeges nennt sie „Generation Maybe“. Die
Generation ohne Eigenschaften. Und meint damit die 20- bis 30-Jährigen, die
zwar gut ausgebildet, aber „ohne Plan, ohne Mut und ohne Biss“ sind. Die sich im Dschungel der Möglichkeiten verirrt haben, sich vor lauter Angst
und Unsicherheit angesichts der Menge an Optionen in Schlafwandler verwandelt
haben. Jeges spricht von einer Generation die sich von einem postmodernen
„Anything-goes“ in ein Entweder-oder verrannt haben soll. Die der Mut zur
Entscheidung fehlen würde.
Für mehr Mut zur Entscheidung plädiert auch das
NEON-Magazin mit der Februar Ausgabe 2015. „Tu es!“ steht da auf der
Titelseite. In dem dazu gehörenden Text spricht sich Alard von Kittlitz für
mehr Mut im Leben aus. Für mehr Mut sein Leben zu ändern, sich was zu trauen.
Sich nicht wie „Generation Biedermeier“ im eigenen Haus zu verkriechen. Sondern
den Schritt zu wagen und vielleicht auch Fehler zu machen. Solange man sich nur
getraut hat. Damit man am Ende nicht nur an die Geschichten denkt, die man
hätte erzählen können, sondern sie auch gelebt hat.
Dabei gibt es sie doch schon. Diese Mutigen, die sich
was trauen. Die Vertrautes zurücklassen und neues entdecken. Diese jungen
Menschen, die sich vom Fernweh und Wanderlust angetrieben fühlen, die keine
Lust auf Entweder-oder haben. Backpacker heißen sie. Oder Rucksack- und
Alternativtouristen. Es sind diese jungen Menschen, die sich auf den Weg
machen, die Welt zu entdecken.
Und sie haben historische Vorbilder. Bereits in den
60er Jahren des 20. Jahrhunderts reisten junge Menschen mit dem Rucksack auf
dem Rücken nach Asien und begründeten den sogenannten Hippie-Trail – Eine Reiseroute von Europa nach Südasien.
Oder die Wanderschaft der jungen Handwerker, das
Trampen oder das Interrail-Ticket zeigen, dass junge Menschen schon früher den
Mut hatten, sich dem Wunsch nach Welterfahrung hinzugeben.
Das Phänomen Backpacking hat zudem schon seit
längerem Einzug in Film und Fernsehen gehalten. Denkt man nur mal an die Blockbusterverfilmung
des Bestsellers „The Beach“(2000) mit Leonadro di Caprio in der Hauptrolle.
Oder die Aussteigerverfilmung „Into the Wild“ (2007) – eine einfühlsam erzählte
Geschichte über Christopher McCandless, der in der Wildnis Alaskas seinen
Lebenssinn sucht. Oder der aktuell in den Kinos laufende „Der große Trip -
Wild“(2014). Ein Film über Schicksalsschläge, Selbstfindung und der Wanderung
auf dem Pacific Crest Trail. Beispiele für verfilmte Rucksackreisen gibt es
unzählige.
Was machen Rucksackreisen also aus? Vor allem die
Möglichkeit sich über Grenzen hinweg zusetzen. Die ganze Welt als
Erfahrungsraum wahrzunehmen. Selbst zu entscheiden wohin man geht und welches
Ziel als nächstes kommt. Jana Binder nennt es in ihrer Ethnologie über
Backpacker („Globility“) „Go wherever you want“ und meint damit die Eröffnung
eines scheinbar grenzenlosen Bewegungsraums.
Eben die Möglichkeit nicht nur an einem Ort zu verweilen, sondern die ganze
Welt zu bereisen.
Hinzu kommt das Phänomen des Zeitverlustes. Für viele
Backpacker ist die Reise eine Art Auszeit, ein time out. Dabei ist nicht wichtig welcher Tag heute ist. Die Tage
verlieren an Bedeutung. Zwar geht damit eine Art von Zeitverlust einher, aber
man ist auch befreit von jeglicher Zwanghaftigkeit, von Terminen und Deadlines.
Backpacker erleben dabei einen ursprünglichen Sinn von carpe diem: ein intensives Erleben der Zeit und des Tages.
Doch das befreiendste Gefühl, das Rucksackreisende
empfinden, ist wohl die Freiheit selbst entscheiden zu können. Selbst über
Zweck und Handeln zu entscheiden. Über den nächsten Schritt der Reise oder
einfach was es zu Essen geben soll. Diese Zweckfreiheit lässt Raum entstehen,
um über das eigene Leben nachzudenken. Über die Dinge die man noch nicht erreicht hat, die Orte die man noch sehen
will, die Träume und Vorstellungen, die man verwirklichen möchte. Eben ein
Stück weit sich Selbst zu finden in dem Chaos der Multi-Options-Gesellschaft.
Das sind sie also, die Mutigen. Die sich in der
„Generation Maybe“ eben doch entscheiden. Also lass uns auch mal Mut beweisen
und durch die Welt reisen. Uns vom Fernweh treiben lassen, neues entdecken und
altes zurücklassen.
Ein bisschen Backpacker, Rucksackreisender oder
Alternativtourist sein. Lass uns Mut beweisen und Geschichten schreiben.
Und eines Tages Baby,
werden
wir alt sein
und an all die Geschichten denken,
die
für immer unsere sind.
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